Mit Gears of War versetzt uns der Heidelberger Spieleverlag in eine andere Zeit. In eine ferne Zukunft, die uns außerhalb dieses Spiels erspart bleiben möge, denn dass es ordentlich zur Sache geht ergibt sich ja bereits aus dem Spieletitel. Die Mitspieler schlüpfen in die Rollen sog. KOR-Soldaten, die sich im Kampf mit der Locust-Horde befinden. Seit dem Tag ihrer Ankunft, als sie aus ihren unterirdischen Verstecken herauskamen und die Menschheit überfielen, kämpft die Locust-Brut mit drückender Übermacht gegen die Menschheit die bereits Milliarden von Opfern zu beklagen hat und nun mit ihren besten Männern zum letzten verzweifelten Gefecht antritt.
Für jedes Spiel wird eine der sieben Missionen gewählt, dessen Ziele es für die Spieler zu erreichen gilt um gemeinsam zu gewinnen (oder unterzugehen). Ein kooperatives Spiel also, bei dem das Besondere darin besteht, dass kein Spieler benötigt wird, der "das Böse", in diesem Fall die Locust-Horde, kontrolliert um alleine den gemeinschaftlichen Sieg der anderen zu verhindern. Ein durchaus angenehmer Aspekt, denn meist bleibt die Rolle des einsamen Bösewichts immer an ein und demselben Spieler hängen (ich weiß wovon ich rede!) und auf Dauer ist das dann doch zu eintönig.
Beginnend mit dem Startspieler wählen die Spieler ihren KOR-Charakter, erhalten die entsprechende Charakterkarte und die darauf aufgeführte Startausrüstung (Waffen, Granaten und Munition). Die gewählte Mission gibt die Gegner vor, denen man begegnen wird und legt die Spielplanteile fest, aus denen die Spielfläche zufällig zusammengesetzt wird. Auf dem so entstandenen Spielplan sind mehr oder weniger viele Locust-Löcher zu finden, durch welche die Kreaturen der Locust-Horde an die Oberfläche strömen und natürlich werden dort gleich zu Beginn auch die ersten Gegner platziert. Die Anzahl der Locust-Kreaturen ist dabei von der Spielerzahl abhängig, so dass sichergestellt ist, dass es für vier Spieler nicht leichter wird als für nur zwei Mitspieler.
Bevor es nun losgehen kann, zieht jeder Spieler entsprechend seiner Lebenspunkte Befehlskarten. Diese Verknüpfung von Befehlskarten und Lebenspunkten stellt die Spieler immer wieder vor die schwere Aufgabe beurteilen zu müssen, ob das Ausspielen einer Karte nicht nur sinnvoll ist, sondern im Hinblick auf mögliche Locust-Angriffe und dem damit verbundenen Risiko Verletzungen hinnehmen zu müssen auch empfehlenswert ist. Die Lebenspunkte/Befehlskarten sollten nie auf null sinken! Befehlskarten kann man nicht nur während seines eigenen Spielzuges ausspielen aber um zwei neue Karten ergänzt wird die Kartenhand und damit die Lebenspunkte erst wieder zu Beginn des eigenen Spielzuges mit der Phase "Heilen".
Frisch gestärkt muss der aktive Spieler anschließend eine seiner Befehlskarten ausspielen und sich entscheiden, ob er eine oder mehrere auf der Karte aufgeführte Aktionen entsprechend ihrer Reihenfolge ausführen will, oder die Karte für eine bis zu zwei Felder weite Bewegung bzw. einen Angriff auf einen Gegner verwendet. Meist machen die Aktionen der Karte am meisten Sinn, denn sie ermöglichen oft mehrere Aktionen, manchmal mehrere Angriffe hintereinander oder Bewegungen über eine größere Distanz und manchmal beides zusammen.
Daneben können vor oder nach einer Aktion zusätzlich noch Sonderaktionen ausgeführt werden. Beispielsweise kann ein verblutender Kollege, also ein Mitspieler ohne Befehlskarten, wiederbelebt werden, oder es können von besiegten Gegnern fallengelassene Waffen aufgenommen werden usw.
Doch dafür muss jeweils eine weitere, beliebige Befehlskarte abgeworfen werden, und das verringert die Widerstandsfähigkeit gegen Feindangriffe, will also gut überlegt sein.
Damit alles fair zugeht, ist nach den Aktionen eines KOR-Soldaten die Locust-Horde am Zug. Diese wird, wie bereits erwähnt, nicht durch einen Spieler "gesteuert" sondern durch Karten eines sog. KI-Decks, das vor dem Spiel auf die jeweilige Mission zugeschnitten und zusammengestellt wird. Diese Karten sind entweder allgemein gehalten oder beziehen sich ganz gezielt auf die bei der gewählten Mission vorkommenden Locust-Kreaturen. Sie geben meist eine Bedingung und alternative Aktionen vor, die, je nachdem ob die Bedingung erfüllt ist, ausgeführt werden. Diese Aktionen ermöglichen Bewegungen und Angriffe vorhandener Locust-Kreaturen nach vorgegebenen Kriterien oder lassen neue Kreaturen an den Löchern entstehen. Wie auch immer, sie bringen die KOR-Soldaten sehr oft in Verlegenheit, durchkreuzen deren Planungen und schalten hin und wieder auch mal einen zu offensiv agierenden Soldaten aus.
Zentrales Element im Spiel ist der Kampf. Die Locust-Horde hat eh nur die Vernichtung der Menschen im Sinn und der Weg der KOR-Soldaten zum Missionsziel führt auch nicht am Ausschalten des einen oder anderen Gegners vorbei. Jede Kreatur und jeder KOR-Soldat hat einen Angriffswert, der die Anzahl der beim Kampf einzusetzenden Angriffswürfel festlegt. KOR-Soldaten können die Zahl ihrer Angriffswürfel noch durch die Wahl einer Waffe erhöhen und indem sie Munitionsmarker auf dieser Waffe abgeben um den deutlich stärkeren "Overkill-Angriff" der Waffe zu nutzen.
Neben dem Angriffswert gibt es natürlich auch einen Verteidigungswert, der die Anzahl an Verteidigungswürfel vorgibt und auch dieser Wert kann erhöht werden. Beispielsweise dann, wenn die angegriffene Figur nach seiner letzten Bewegung in Deckung gehen konnte oder immer dann, wenn die Reichweite der Waffe des Angreifers überschritten wird usw.
KOR-Soldaten können aber auch Befehlskarten mit einem "Ausweichsymbol" ausspielen um zwei zusätzliche Verteidigungswürfel zu erhalten. Steht die Zahl der Angriffs- und Verteidigungswürfel fest, werden die Würfel geworfen und die Treffer berechnet. Mehr Treffer als Schilde führen zu Verletzungen bzw. zum Tod. KOR-Soldaten haben hier allerdings einen kleinen Vorteil. Verliert ein Soldat alle Befehlskarten liegt er verblutend am Boden, kann sich immer nur um ein Feld kriechend weiterbewegen und wird von allen Locust-Kreaturen ignoriert und nicht weiter angegriffen. Er stirbt also nicht und so besteht die Chance, dass ein KOR-Kamerad den Verblutenden mittels Sonderaktion wieder halbwegs einsatzfähig bekommt. Zumindest wenn er nicht blutend in Mitten einer riesigen Locust-Herde zusammengebrochen ist.
Erreichen die KOR-Soldaten alle Teilziele der Missionskarten, haben sie gemeinschaftlich gewonnen. Liegen alle KOR-Soldaten verblutend am Boden haben alle das Spiel verloren. Einige Regeldetails sind unerwähnt geblieben, da sie den Rahmen dieser Rezension sprengen würden, tragen jedoch natürlich nicht unerheblich zum positiven Spielerlebnis bei, so dass ich die Wichtigsten zumindest kurz erwähnen will ohne ins Detail zu gehen: Beim Kampf muss natürlich Sichtlinie bestehen, Spielplanabschnitte folgender Missionsabschnitte können mitunter erkundet werden, Befehlskarten haben teilweise Reaktionsfähigkeiten wie z.B. Absichern (Angriff außerhalb des eigenen Spielzuges) oder Folgen (Bewegung außerhalb des eigenen Spielzuges zusammen mit einem Kameraden) usw.
Gears of War ist ein - wie von diesem Verlag gewohnt - üppig und opulent ausgestattetes Spiel, diesmal nicht wie so oft mit "nur" kooperativen Elementen sondern voll kooperativ. Der Schwierigkeitsgrad passt sich relativ an die Mitspielerzahl an, so dass grundsätzlich fast alle Mission auch im Alleingang bewältigt werden können. Allerdings hat man auch im Solospiel mehr Spaß, wenn man mit zwei KOR-Soldaten antritt. Und wenn ich gerade beim Schwierigkeitsgrad bin, der ist grundsätzlich relativ hoch, kann aber für die ganz erfahrenen Hasen auch auf die Stufe "Wahnsinnige Schwierigkeit" angehoben werden. Bei diesem Schwierigkeitsgrad müssen bei Verwundungen die abzugebenden Befehlskarten zufällig gezogen werden und verblutende KOR-Soldaten können weiterhin angegriffen werden. Der Angriff auf einen verblutenden KOR-Soldaten ist natürlich sehr einseitig. Es wird gar nicht gewürfelt, der Soldat wird sofort als eliminiert aus dem Spiel genommen. Obwohl er nun nichts mehr zum Erfolg der Mission beitragen kann, muss die Phase in der die Locust-Horde normalerweise während seines Zuges agieren könnte trotzdem durchgeführt werden.
Gears of War hat alles was man von einem Spiel dieser Art erwartet. Opulente Ausstattung, variabler Spielplan, funktionierende Mechanismen und ganz viel Atmosphäre. Auch in voller Spielerzahl gibt es so gut wie keine Wartezeiten, da man auch bei den Aktionen der Mitspieler gespannt das Geschehen verfolgt und auch außerhalb des eigenen Spielzugs Befehlskarten sinnvoll einsetzen kann. Ganz zu schweigen von den teilweise heftigen Diskussionen das weitere Vorgehen betreffend.
Kurzweilige Spannung ist also angesagt doch trotz der recht gut funktionierenden KI-Karten können diese einen "Overlord" wie in Descent nicht ganz ersetzen. Auch Atmosphärisch kommt Gears of War für meinen Geschmack beispielsweise an Villen des Wahnsinns nicht ganz heran, hat aber dafür den Vorteil voll kooperativ zu funktionieren.
Wie so oft bei solchen Spielen ist die Zahl an Szenarien und Missionen überschaubar. D.h. wer vom Spiel so richtig gefesselt wird, der hat ruck zuck alle Missionen gespielt und verlangt nach Nachschub. Doch zum Glück dürfte dieser Nachschub sicherlich wie üblich bald in Form von Erweiterungen zu haben sein und auch im Internet sollten sich eher früher als später auch inoffizielle neue Missionen finden lassen.
Gears of War spielt eindeutig in einer Liga mit Villen des Wahnsinns, Doom oder Descent und wer diese Art Spiele mag, wird mit Sicherheit nicht enttäuscht.
Holger hat Gears of War - Brettspiel klassifiziert.
(ansehen)