Der erste Kontakt:
Spannung, schönes Schachteldesign, Vorwissen: schlechte Spielregel, "unspielbar"
Erster Eindruck:
unangenehmer Geruch! Was riecht hier so? Kleber, Farbe, Material?
einfaches Kartoninlay, Plastikklötzchen statt Holzwürfel, Einwegaufreißbeutel, wenigstens liegen verschließbare Beutel bei...
nicht gerade das, was heutzutage ein hochwertiges Spiel auszeichnet.
Und dann DAS ERSTE SPIEL:
und Entwarnung! SOOO schlecht ist es gar nicht!
Nur für 1 oder 2 Spieler würde ich es niemandem empfehlen.
Meine Wertung bezieht sich daher auf 4 PERSONEN - und da hätte ich ihm glatt 5 Punkte gegeben, die Athmosphäre, die Stimmung war
einfach klasse - mit Abzug für die Spielregel (die nur ein paar kleine Fehler enthält) und die Probleme bei zu geringer Spielerzahl.
Besser ich fange von vorne an.
Das Spiel ist vom Charakter her ähnlich einem Abenteuer-Spielbuch. Ein Beispiel?
*-Der einsame Hund-*
Wir fanden einen grimmig aussehenden Hund, der vermutlich vom Wrack der Galeone entkommen war.
Das arme Wesen war aggressiv und verängstigt.
Du kannst:
- den Hund ignorieren.
- den Hund beruhigen: Würfel mit einem Würfel.
bei 3 oder weniger beißt dich der Hund: du verlierst 2 Energie, füge den Ereignissen Karte 74 hinzu.
Andernfalls nimm Karte 77 und platziere das Hundeplättchen im Vorrat.
- den Hund füttern: Falls du 1 Energie ausgibst, nimm Karte 77 und platziere das Hundeplättchen im Vorrat.
Die Kartenzahlen beziehen sich auf einen Plot-Stapel (Zahlen 1-109), aus dem die Karte entnommen wird.
Andere Ereignisse dauern über mehrere Runden: in einer gefluteten Höhle (1. Karte) findet die Erkundungsgruppe ein altes Piratenschiff (2. Karte), beim Durchstöbern findet man eine Truhe (3. Karte), hat aber jetzt noch gar keinen Schlüssel (oder ein Mitspieler hat ihn und sagt es nur nicht ;)), die Truhe wird also in einen Erkundungsstapel gemischt, von dem aus man sie wieder entdecken kann. In der Truhe, vorausgesetzt man hat den Schlüssel, befindet sich die nächste Truhe (4. Karte)...
Der aktive Spieler sollte auch nicht alles seinen Mitspielern verraten, nur einen allgemeinen Teil des Textes vorlesen. Das Spiel ist kein reines Koop-Spiel, auch wenn es teilweise den Eindruck macht, als wäre es eines. Denn gewinnen kann nur einer, gegen das Spiel verlieren alle gemeinsam!
In jeder Runde muss für Nahrung gesorgt, das Feuer mit Holz am Brennen gehalten, Unterstände gebaut, Wrackteile gefunden und verteilt werden und ausruhen sollten sich die Gestrandeten auch noch...
Gewinnen kann die Spielgruppe jedoch nur, wenn einer bis zum Gipfel des Berges marschiert, und Schiffe auf sich aufmerksam machen kann (was je nach gerade aktueller Ereignis-/Wetterkarte bestimmtes Equipment der Gestrandeten voraussetzt).
Wie spielt sich also Naufragos?
Es gibt mehrere Spielbretter. Eines stellt die Insel dar, mit einem Weg, der vom Strand bis an die Spitze führt. Je nach erreichter Erkundung gibt es drei Gebiete: Küste, Hinterland und "Herz der Insel" (der Berg). Für jedes Gebiet gibt es Karten der jeweiligen Farbe: gelb, grün oder rot. Zusätzliche "Null"-Karten in den Grundstock mithineingemischt, wechseln das Spielgeschehen von Spiel zu Spiel etwas ab, sodass man sich nicht sicher sein kann, dass eine bestimmte Karte wirklich im Spiel auftaucht.
Auf den einzelnen Wegpunkten können Zahlen stehen (von 1-4), die eine Rückkehr ins Lager erschweren. Und zurückkehren muss man, denn als Verschollener kann sich niemand erholen und stirbt leicht.
Unter dem Berg ist eine Rückkehrerleiste zu sehen, einen Zahlenstrang, deren jeweiliger Wert man mit 2 Würfeln erreichen muss, um wieder ins Lager zu kommen.
Ein zweites Spielbrett zeigt Aktionen, die im Lager möglich sind. Anfangs sind es nur 5: Fischen, Deckkarten-, Erkundungskartenreihenfolge verändern, Energie kurzfristig erhöhen oder Insekten zu Nahrung verarbeiten. Im Lauf des Spiels werden es mehr. Manche verlangen auch etwas von den Gestrandeten, so können z. B. Leichen angeschwemmt werden, die erst begraben werden wollen (wofür man neben einer Bauaktion, auch 3 Holz und 3 Energie aufwenden muss) und bis zu dem Zeitpunkt bei den Gestrandeten Panikanfälle herbeirufen.
Auf dem größten Spielbrett (aus zwei kleinen bestehend) spielt man.
Jeder plant seine Aktionen (Essensuche, Holz, Tagebucheinträge (bringen Siegpunkte), Überreste suchen, ein Lagerfeuer machen,
Bauen, Erkunden, Ausruhen oder eine Karte im Lager wählen).
Anschließend werden sie der Reihe nach ausgeführt.
Zum Schluß wird das vorrätige Essen unter den Spielern verteilt - es hat keiner ein eigenes Lager - und evtl. Holz im Lagerfeuer verbrannt.
Fazit:
Das Spiel spielt sich aus dem Bauch heraus, intuitiv - wenn man die Regeln verstanden hat.
Der Plot wurde von uns zuerst überbewertet, bis wir merkten, dass die Zahlenkarten nur zusätzlich hineinkommen, wenn ein gewisses Ereignis
auftritt. Die Spielregel ist in diesem Punkt etwas irreführend geschrieben.
- Spielregel lässt Fragen offen (für das erste Spiel brauchten wir 7 Stunden!)
- eine Übersichtskarte als Einstiegshilfe fehlt
+ sehr gute, stimmungsvolle Athmosphäre
+ durch das Mischen der Karten gibt es keine festgelegte Reihenfolge, jedes Spiel spielt sich anders
+ gute, ansprechende Graphik, jedoch teilweise nicht so differenziert und aussagekräftig, und erst bei besser Kenntnis des Spieles interpretierbar
+ Spieler spielen gegeneinander und gleichzeitig zusammen. Niemand weiß, wie gut es der Mitspieler mit dem Hilfsangebot oder seinem Rat meint. Kann man dem Gegenüber trauen? Nur nicht offen zugeben, dass man es bezweifelt, vielleicht tut man ihm unrecht, und er will einem tatsächlich nur helfen.
Dieses letzte Element macht das Spiel zu einem sehr guten Spiel - bei passender Besetzung.